Inneralpiner Bahnverkehr – Interregio-Verkehr ist Fernverkehr als Mogelpackung

Potenzial Linz-Graz mit viel Luft nach oben

Seitdem bekannt wurde, dass es ab der Eröffnung der Koralmbahn deutliche Veränderungen im inneralpinen Bahnverkehr geben wird, gab es auch Konzepte, die zentralen Bereiche Österreichs mit neuen Konzepten bahntechnisch zu erschließen. Im Jahr 2018 tauchte dann das Interregio Konzept mit einigen neuen Verbindungen auf diesen Bahnstrecken auf. Vieles war noch unklar. Das Bahnangebot ab 13. Dezember auf diesen inneralpinen Strecken ist jedenfalls nicht der epochale Fahrplan, wie es der ÖBB-Chef vor kurzem im Zusammenhang mit der Eröffnung der Koralmbahn verkündet hat.

Fernverkehr dritter Klasse mit engen Garnituren

Ein Fernverkehr dritter Klasse (nach RJX, RJ bzw. IC), der weitgehend auf dem Haltemuster der REX-Züge, also des schnelleren Nahverkehrs, unterwegs ist und dementsprechend auch nur mit upgegradeten Nahverkehrsgarnituren bedient wird, in einer Sitzplatzdichte, die mehr an die engsten Bestuhlungen der Billigflieger erinnert. Der aktuelle Werbeslogan zur Koralmstrecke „Österreich war noch nie so nah“ bezieht sich auf den IR – Strecken nicht auf den Süden von Österreich, sondern auf die Mitreisenden in den engen Garnituren.
So war zum Beispiel die Fernverkehrsgarnitur auf der Strecke Linz – Graz in den 90er Jahren mit rund 35 Prozent mehr Sitzplätzen (und 5 statt 2 WC) doppelt (!) so lange wie die jetzt eingesetzten Cityjet-Züge.

Während Herr und Frau Österreicher in diesen 30 Jahren in rund 25 Prozent größeren Wohnungen leben, müssen sich die Bahnfahrer auf den inneralpinen Strecken mit einem Rückgang des spezifischen Platzangebotes beim Bahnfahren von rund 40 Prozent zufriedengeben, was man auch als Shrinkflation bezeichnen kann. Dieses beengte Gefühl erlebt man deutlich in den jetzt schon oft stark genutzten bzw. überfüllten Zügen in OÖ. Außerdem ist auch das Platzangebot in der direkten Konkurrenz, dem Auto, deutlich größer geworden. D.h. komfortableren Pkws stehen engere Züge gegenüber. Erst in 2 Jahren soll es mit den bestellten, etwas längeren Mireo-Zügen wieder besser werden.

Auch wenn es auf der Verbindung Linz – Graz erstmals seit dem Ende der 90er Jahre wieder acht Direktverbindungen pro Tag gibt, muss dennoch auf ein paar Dinge hingewiesen werden, die absolut nicht diese Aufbruchstimmung rechtfertigen, die es bei der Koralm-Strecke gibt. Diese teure Strecke ist ja auch einer der Gründe dafür, dass in den letzten 3 Jahrzehnten auf der Pyhrnstrecke vergleichsweise wenig passiert ist.

Nur weil man Linz – Graz durchfährt, ist es kein Fernverkehr

Die schnellste Bahnverbindung Linz – Graz ist mit 3 h 11 min noch immer rund 20 Minuten langsamer, wie sie schon vor 20 Jahren war. Bei jedem Ausbauvorhaben auf der Pyhrnstrecke wurde das Argument der Streckenbeschleunigung angeführt. Weitergegeben wurde sie bisher noch nicht an die Bahnkunden. Zeiten von 2 h 45 min wären heute schon möglich.
Der in den letzten 31 Jahren maximale Wert an Zwischenhalten im Fernverkehr zwischen Linz und Graz von 10 wird im aktuellen Fahrplan um 60 % auf sagenhafte 16 Stops erhöht (d.h. Stops alle 15 km im REX-Haltemuster).

So viele Zwischenstopps im Fernverkehr gab es noch nie!

Das ist nicht das Maß, was für einen Fernverkehr zwischen der zweit- und drittgrößten Stadt in Österreich angemessen ist. Der Fernverkehrsgast will keine Züge, die 16 x beweisen, dass sie gut beschleunigen, sondern Züge, die möglichst nah an die Autofahrzeit herankommen, und das ist bei dieser Fahrtdauer bei weitem noch nicht erreicht.
Die im Interregio Konzept vom Februar 2024 noch in Aussicht gestellten zusätzlichen schnelleren IC-Züge sind im aktuellen Fahrplan nicht gekommen.

Die Durchschnittsgeschwindigkeit liegt bei 78 km/h. Damit sind die auch im Fernverkehr fahrenden Bahnpassagiere auf der Koralm-Strecke um den Faktor 2,4 schneller unterwegs als jene zwischen Linz und Graz.

Im Vergleich zum letzten Jahr gibt es zwischen 5 und 21 Uhr 2 Verbindungen weniger und wenn man die Verbindungen, wo man 2 x umsteigen muss und 45 min länger unterwegs ist als mit den IR-Zügen, auch nicht zählt, dann ist es fast eine Halbierung der Verbindungen.

Auch mit 8 Direktverbindungen mit vielen Zwischenstopps kann man die restlichen Verbindungen attraktiver machen.

In den starken Stunden 7 Uhr früh und 19 Uhr am Abend gibt es auch Taktlücken, die es letztes Jahr nicht gegeben hat.

Auf den parallelen Autoverkehr bezogen müssten 4 x so viele Züge unterwegs sein!

Trotz der im Vergleich zu den letzten 15 Jahren höheren Anzahl an Direktverbindungen liegt die Anzahl der Schnellzüge auf dieser Strecke im Verhältnis zur Menge des in der Zwischenzeit stark zugenommenen parallelen Autoverkehrs nur bei einem Viertel (!) der Weststrecke.

Wenn auf der Pyhrnstrecke die gleichen Grundsätze gelten würden wie auf der Weststrecke, müssten hier viel mehr (echte) Schnellzüge unterwegs sein.


Damit kann man sagen, dass das Nachziehen des Bahnangebots mit dem deutlichen steigenden Autoverkehr in den letzten 3 Jahrzehnten auf dieser wichtigen innerösterreichischen Bahnachse nicht erfolgt ist. Für den Wasserkopf Wien hat diese Tangentialachse keine hohe Priorität.

Dass die ÖBB auf der Weststrecke bewusst Doppelstockzüge einsetzen, um die Leistungsfähigkeit gegenüber den (einfachen) railjets zu erhöhen, aber auf der Pyhrnstrecke so kleine Garnituren zum Einsatz kommen, wo auf keine Spitzenbelastung reagiert werden kann, weist auf eine Ungleichbehandlung der Bahnfahrgäste in Österreich hin. Kurzfristig kann nur mit einem Auffüllen der Taktlücken – am besten mit schnelleren und größeren IC-Ganituren – reagiert werden.

Es ist also sehr viel Luft nach oben, wobei beim Bahnausbau auf dieser Achse auch auf die Bremse gestiegen wurde und der geplante zweispurige Ausbau zwischen dem Bhf. Hinterstoder und der aufgelassenen Hst. Vorderstoder wieder um drei Jahre nach hinten verschoben wurde.
Bevor so Phantasieprojekte wie die Neue Innkreisbahn weiter verfolgt werden, sollte hier wirklich ein entschlossener Ausbau für die wichtigen innerösterreichischen Verbindungen erfolgen.

Deutliche Verschlechterung für Ausflüge mit Rad und Bahn

Ärgerlich ist diese „Transformation“ des Nahverkehrs in Fernverkehr dritter Klasse für jene Bahnbenützer, die dieses umweltfreundliche Verkehrsmittel für einen Tagesausflug mit dem Fahrrad nutzen. Nur durch das „Umtaufen“ des sonst weitgehend gleichen Bahnverkehrs dürfen Radfahrer tief in die Tasche greifen. Gegenüber der Tageskarte für die Radmitnahme im Jahr 2014 (2,5 Euro) erhöhen sich mit diesem Ersatz der Nahverkehrszüge durch Fernverkehrszüge und die damit verbundene Reservierungspflicht die Kosten für die Hin und Rückfahrt im Jahr 2026 auf 10 Euro, also um den Faktor 4 (!). Das sind Erhöhungen, die in anderen Bereichen des Lebens einen massiven Aufschrei erzeugen würden.

Dass es in OÖ im Gegensatz zu manch anderen Bundesländern keine Gratismitnahme von Rädern (bzw. zumindest Aufzahlungsmöglichkeit) bei Besitz eines regionalen Klimatickets gibt und gleichzeitig die Klimatickets um 19 % verteuert werden, zeigt, dass dieses Bundesland nicht die richtigen Initiativen zur Steigerung des umweltfreundlichen Verkehrs setzt.

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